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Aus der A-Post 2002/4

Vom Boom zur Arbeitslosigkeit

Ein junges, preisgekröntes Basler Informatik-Unternehmen schlittert in die Pleite. Wegen Insolvenz werden keine Löhne mehr bezahlt. Rund 50 Angestellte verlieren ihren Job. Was können die betroffenen Erwerbstätigen in einer solchen Situation tun? Wer steht im Falle einer solchen Insolvenz für die Löhne gerade? Wie steht es um AHV und Pensionskassengelder? Die A-POST hat sich mit einem betroffenen Informatiker über die Vielzahl der Probleme bei einer Insolvenz und die möglichen Vorgehensweisen der Angestellten unterhalten.

Was tun, wenn die Firma pleite geht?

Dem IGA-Mitglied Lukas ist das passiert, was die meisten von uns zum Glück nur aus der Zeitung kennen: von einem Tag auf den andern standen er und seine ArbeitskollegInnen ohne Arbeit da, der Informatik-Betrieb musste schliessen. Im Interview mit der A-Post erzählt Lukas, wie er noch heute um seinen Lohn kämpfen muss und was es zusätzlich schwierig macht, wenn von 80 Angestellten gerade mal 2 in einer Gewerkschaft sind.

A-Post: Lukas, der Betrieb für den Du gearbeitet hast, wurde von einem Tag auf den andern geschlossen. Wie hast Du das erfahren?
Lukas: Offiziell erfahren haben wir es an einer Versammlung, die vom Chef einberufen wurde, und der hat uns dann mitgeteilt, dass kein Geld mehr da sei, dass die Löhne nicht mehr bezahlt werden können, und dass die Hälfte der Leute per sofort entlassen sind. Diese Leute haben dann die Kündigung in die Hand gedrückt bekommen.

Hat es schon vorher Anzeichen einer Krise gegeben?

Ja, etwa zwei Wochen vorher gab es bereits eine erste Versammlung, auf der wir über Schwierigkeiten informiert wurden. Aber damals meinte die Geschäftsleitung noch, dass sie Geldgeber finden würde. Eigentlich hätten wir uns schon dort ausrechnen können, dass das nicht klappen wird. Nachher ist man natürlich immer schlauer. Wir haben vor allem für einen einzigen Kunden gearbeitet, das waren 70% vom Umsatz. Und dann haben wir gehört, dass dieser Auftrag gestoppt worden sei. Es hiess dann allerdings, man habe diverse Aufträge in Aussicht und man könne guten Mutes sein.

Die Hälfte der Leute stand also am Tag X mit der fristlosen Kündigung in der Hand da. Wie stand es mit den Lohnfortzahlungen?

Das Problem war ja, dass wirklich kein Geld mehr da war. Die Versammlung war Anfang September und wir hatten alle schon gesehen, dass Ende August kein Lohn aufs Konto gekommen ist. Einige Kollegen wurden schon im Juli gefragt, ob sie damit einverstanden wären, wenn sie den Juli-Lohn erst mit zwei Wochen Verspätung erhalten würden, aber der war auch Ende August noch nicht da.

Hast Du zu den 50 Prozent gehört, die am Tag X entlassen wurden?

Nein, es hiess eben, dass eine neue Firma gegründet werden soll, die dann die Hälfte der Leute übernehmen würde. Und zwei Wochen lang sah es so aus, dass ich zu den Auserwählten gehören würde. Aber dann haben sie festgestellt, dass sie doch nicht alle anstellen können und haben nochmals etwa 10 Personen ausgeschieden.

Wie habt Ihr erfahren, was ihr machen müsst, damit ihr zu eurem Lohn kommt?

Nun, gegenüber der Firma, die Dir den Lohn schuldet, kannst Du nichts machen, weil da ja einfach kein Geld vorhanden ist. Als die Kündigungen bekannt gegeben wurden, hatte die Geschäftsleitung auch Leute vom KIGA eingeladen, und die haben uns dann so Allgemein ein bisschen über die Insolvenzversicherung informiert. In der Praxis ist aber alles viel komplizierter, man muss selber herausfinden, in welches Büro man gehen und auf den Tisch klopfen muss.

Hat die Insolvenzversicherung Eure Löhne übernommen?

Die Insolvenzversicherung sollte eigentlich schon den Lohn auszahlen, für die Zeit, in welcher man wirklich gearbeitet hat. Ich habe allerdings bis heute, und wir haben jetzt Dezember, noch keinen Rappen von dieser Versicherung erhalten. Irgendwann wird dieses Geld dann schon kommen, wenn alles rechtlich abgeschlossen und geklärt ist. Und weil die Firma keinen Konkurs angemeldet hat, und auch das Nachlassstundungsverfahren erst jetzt ins Laufen gekommen ist, mussten wir zuwarten. Auf jeden Fall: in dem Moment, in welchem Du ohne Lohn da stehst, und die Miete bezahlen solltest, dann wenn Du das Geld wirklich brauchst, dann kommt es eben nicht. Immerhin konnten wir sofort stempeln gehen, obwohl ja während unserer vertraglichen Kündigungsfrist immer noch die Firma für unseren Lohn verantwortlich gewesen wäre.

Ist Euch neben den Lohnschulden noch weiteres Unrecht widerfahren? Z.B. AHV-Beiträge oder Pensionskassen-Gelder, die nicht überwiesen wurden?

Ja, klar. Der Zusammenbruch der Firma kam ja für die Geschäftsleitung nicht von einem Tag auf den andern. Wir haben im nachhinein erfahren, dass es schon länger finanziell knapp war, nicht erst nachdem dieser Grosskunde weggefallen ist. Und was macht man, wenn man kein Geld hat? Man bezahlt nur noch das Allernotwendigste und Sachen, die noch warten können, wie z.B. AHV-Beträge oder Pensionskassengelder, die werden eben nicht mehr einbezahlt. Ich weiss nicht, wieviel da nicht einbezahlt wurde, aber es gibt Lücken.

Wie findest Du heraus, wieviel Dir bei AHV und Pensionskasse fehlt, und was kannst Du machen, damit Du zu Deinem Recht kommst?

Bei der AHV ist es einfach: Wenn die MitarbeiterInnen bei der AHV angemeldet sind, dann werden die Beiträge auf jeden Fall auf das Konto verbucht, auch wenn die Firma die Beiträge nicht einbezahlt hat. Dafür gibt es einen Sicherheitsfonds. Bei der Pensionskasse ist es ähnlich, aber wie es in den Details ist, weiss ich nicht.

Versucht jetzt jede und jeder Einzelne von Euch seine Probleme alleine zu lösen oder unterstützt ihr Euch gegenseitig?

Zum Teil versuchen wir uns gegenseitig zu unterstützen. Diejenigen, die genügend Energie haben, versuchen herauszufinden, was man machen kann. Das ist gar nicht so einfach. Die Sachlage ist nie wirklich klar. Und jetzt treffen wir uns manchmal zum Austausch. Aber es kommt nur ein Teil der Leute, vielleicht 20 von den ehemaligen KollegInnen.

Habt ihr Euch auch schon früher gemeinsam um Eure Arbeitbedingungen gekümmert? Hattet Ihr z.B. Eine Betriebskommission?

Nein, das gab es nichts in diese Richtung. In der Informatikbranche gibt es sehr viele sehr junge Leute und gewerkschaftliche Organisation war quasi null. Von 80 Leuten weiss ich von einem Kollegen, der in der Gewerkschaft Syndikat ist, und dann bin noch ich als IGA-Mitglied. Und damit hatte es sich.

...-Systems war ja nicht einfach irgendeine Firma sondern ein preisgekröntes Nachwuchsunternehmen mit linker Prominenz in der Geschäftsleitung. War so etwas wie eine linke Betriebskultur spürbar?

Es wurde viel von Offenheit und Kooperation gesprochen, aber im Nachhinein haben sich diese Worte als Blabla erwiesen, sonst hätte man nämlich die prekäre Lage rechtzeitig mit uns besprochen.

Welchen Rat kannst Du Deinen KollegInnen von der IGA mitgeben, wenn sie in eine ähnliche Situation geraten?

Such so schnell wie möglich einen neuen Job! Also: vom Gesetz her, wäre die Firma verpflichtet die Angestellten zu informieren, wenn eine Insolvenz absehbar ist. Falls man im Betrieb ein gewisse Macht hat, kann man versuchen, auf diesem Recht zu beharren. Solange man in einem Betrieb alleine ist, ich meine wenn nicht mehrere Leute gewerkschaftlich organisiert sind, kann man aber nicht viel machen. IGA-Mitglieder haben dann immerhin Zugang zu guter und schneller Rechtsberatung.

Die Fragen stellte Claudia Studer

Intern

Arbeitswelten