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Frauen und Gewalt im neuen AusländerInnen-Gesetz

Das neue AusländerInnen-Gesetz (AuG) befindet sich zur Zeit in der Vernehmlassung. Damit stellen sich grundsätzliche Fragen: Wie können die spezifischen Situationen von Frauen berücksichtigt werden - insbesondere wenn sie in der Ehe Opfer von Gewalt werden oder als Prostituierte arbeiten?

VON SUSANNE BERTSCHI

Susanne Bertschi ist Anwältin in Basel. Der Text beruht auf einem am 5. Juni 2000 im Rahmen der Veranstaltung 'AuG im Auge' in Basel gehaltenen Vortrag.

Die vorliegenden Entwürfe zum AusländerInnen-Gesetz (AuG) bringen grundsätzlich keine Umwälzung in der Migrationsgesetzgebung, zumindest nicht im Vergleich zur heutigen rechtlichen Situation. Die Vorschläge nehmen auf, was heute Praxis des Bundesgerichts und der Bundesverwaltung sowie kantonale Rechtssetzung und Praxis ist. Ein Beispiel: Viele Kantone erteilten Kurzaufenthaltsbewilligungen nur noch an Cabaret-Tänzerinnen europäischer Herkunft. Der Gesetzesentwurf zum AuG will Kurzaufenthaltsbewilligungen vermehrt auf EuropäerInnen beschränken. Die zunehmend restriktive Praxis des Bundes und der Kantone, zusammengefasst im vorliegenden Gesetzesentwurf, macht deutlich, dass namentlich in den letzten Jahren eine massive Verschärfung gegenüber dem stattgefunden hat, was die Gesetzgebenden im heute noch geltenden, jedoch auch durch die Praxis veränderten Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung der AusländerInnen (ANAG) festgeschrieben hat. Dabei ist zu bemerken, dass das ANAG, dessen ursprünglicher Text uns heute vergleichsweise grosszügig erscheint, 1931 vor dem Hintergrund des aufkommenden Nationalsozialismus entstand.

Während die Praxis und die kantonalen Gesetzgebungen sich laufend dem 'Bedürfnis' nach einer restriktiveren Einwanderungspolitik anpassen, die Gerichte ihr Ermessen in fragwürdiger Weise häufig nur in eine Richtung, nämlich zu Lasten der MigrantInnen, ausüben, schreibt das Gesetz, einem momentanen 'Auftrag' folgend, für Jahre eine Einwanderungspolitik fest, deren Logik von UNO-DemographInnen [BevölkerungswissenschaftlerInnen; Red.] schon längst in Frage gestellt wurde.

Die praktisch ausschliessliche Zulassung von europäischen EinwandererInnen wird in den nächsten Jahrzehnten die Überalterung der schweizerischen Bevölkerung und, damit verbunden, auch den Bedarf an nicht hochqualifizierten Arbeitskräften nicht auffangen können.

Die im schweizerischen Recht vorgesehene Zulassung ausser-europäischer Spitzenarbeitskräfte wird diese vermutlich nicht bedarfsgemäss zur Einwanderung motivieren, wie die Debatte rund um die indischen Computerfachleute zeigt, deren Einwanderungswille zu wünschen übrig liess.

Erstaunlich - und in der Gesetzgebung einzigartig - ist die politische Standpunkterklärung, wie sie das neue Gesetz vorsieht und die ausdrücklich so benannt ist. Unvorstellbar wäre dies in anderen Gesetzen, wenn etwa im neuen Scheidungsrecht erklärt würde, seine Ausgestaltung diene dazu, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern zu regeln, und mit dem vorgeschriebenen finanziellen Ausgleich solle letztlich die zu starke Belastung und schliesslich der Ruin des Staates durch Sozialleistungen an alleinerziehende Mütter verhindert werden.

Gewalt - eine ungestellte Frage

Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass es im neuen AuG vermutlich keine geschlechtsspezifischen Fragestellungen geben wird, obwohl etwa beim Familiennachzug, bei der Sex- und Hausarbeit sowie Fragen der Gewalt einiger Regelungsbedarf bestünde.

Frauen sind immer und überall betroffen von Gewalt, körperlicher und struktureller. Da sich Gewalt bei Ausländerinnen aber noch speziell auswirken kann, gehe ich hier in erster Linie auf Zusammenhänge zwischen körperlicher Gewalt und Aufenthalt anhand von zwei in der Debatte um das Migrationsrecht bereits andiskutierten Fragen ein, nämlich die Auswirkungen häuslicher Gewalt und die Prostitution.

Häusliche Gewalt

Ein parlamentarischer Vorstoss von Christine Goll (SP, ZH), der ein zivilstandsunabhängiges Aufenthaltsrecht fordert, muss nach wie vor umgesetzt werden. Bei diesem Vorstoss im Nationalrat ging es darum, dass ausländische Ehefrauen, deren Aufenthalt in der Schweiz an eine Ehe gekoppelt ist, trotz widriger Umstände, insbesondere einem Gewaltverhältnis, an dieser festhalten müssen, nur um ihren Aufenthaltsstatus nicht zu verlieren. Denn nach geltendem Recht besteht der einmal bewilligte Aufenthalt als Anspruch nur bis zur Scheidung (EhepartnerInnen von SchweizerInnen) bzw. bis zur Aufnahme des Getrenntlebens (übrige). Im vorliegenden Entwurf vom 14. Mai 1999 sieht Art. 45 nun vor, dass nach Auflösung der Familiengemeinschaft der Anspruch der EhegattInnen und Kinder auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung weiter besteht, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen.

Die ehelichen Privilegien zur Erlangung der Niederlassungsbewilligung bestehen nicht mehr. Das Privileg von EhegattInnen von SchweizerInnen, das ihren Aufenthalt auch beim Getrenntleben gesetzlich - in der Praxis allerdings schon lange nicht mehr - garantiert, soll fallengelassen werden. Sie sind künftig wie EhegattInnen von in der Schweiz Niedergelassenen gestellt und haben einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung nur, solange sie in Ehegemeinschaft leben. Im Sinne des neuen Scheidungsrechts, das eine vierjährige Trennungszeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Scheidung vorsieht, wäre die umgekehrte Anpassung sinnvoll gewesen, nämlich dass auch Niedergelassene während des Bestehens der Ehe ein Aufenthaltsrecht besitzen und damit ihre Interessen im Scheidungsprozess voll wahrnehmen können. Was das Scheidungsrecht intendierte, nämlich einen Schutz vor voreiliger Scheidung und damit die Garantie gewisser Rechte, sollte für Migrantinnen nicht durch das AusländerInnen-Gesetz ausser Kraft gesetzt werden. Die Frage der Gewalt wird im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht ausdrücklich thematisiert, und es fand statt, was immer wieder stattfindet: Themen, die Geschlechterdiskriminierungsfragen betreffen, werden gesetzgeberisch umgesetzt, allerdings dann wegen des Gleichstellungsanspruchs der Männer geschlechtsneutral formuliert, was die Gefahr in sich birgt, dass die ursprüngliche Fragestellung in Vergessenheit gerät - und die Anforderungen werden allgemein hoch gestellt. Zu diskutieren wäre, wie die Gewaltproblematik im AuG zur Sprache kommen soll. Eine Möglichkeit wäre, Gewalt beispielhaft als wichtigen persönlichen Grund für einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz zu nennen. Möglich wäre auch, ein Kapitel 'Gewalt' in das Gesetz aufzunehmen. Dort könnte dann auch das andere noch zu erörternde Thema Eingang finden.

Prostitution und Gewalt

Frauenhandel und Zwangsverhältnisse gegenüber ausländischen Frauen in der Prostitution werden strafrechtlich kaum verfolgt, und wenn doch, dann lediglich als Delikte im Rahmen des ANAG. Nach der Erfahrung von Beratungsstellen und StrafrichterInnen scheitert die Verfolgung vor allem an mangelnden Beweisen, sprich: an den mangelnden Aussagen betroffener Frauen. Einerseits sagen sie aus Angst vor Rache nicht aus, andererseits werden sie infolge der erlittenen Gewalt und Ausbeutung oft so zerrüttet, dass sie besonderen Schutzes bedürfen und häufig nicht mehr in der Lage sind, in ihrem Heimatland einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Hinzu kommt allenfalls der Ehrverlust, der sich in gewissen Ländern äusserst negativ auf die Frauen auswirken kann.

Zur Diskussion um eine wirksamere Strafverfolgung muss die Auf-enthaltsfrage stehen. Für die Beweissicherung muss der Aufenthalt der Frauen gesichert werden. Damit sie leichter aussagen, braucht es eine Strafbefreiung von den allfälligen eigenen Verstössen gegen das ANAG. Zudem muss der weitergehende Aufenthalt bei gewissen Umständen garantiert sein. Zu überlegen ist sogar eine KronzeugInnen-Regelung bezüglich des Aufenthaltsrechts. Mehrere europäische Staaten haben solche Gesetze schon entworfen oder sind mit entsprechenden Forderungen konfrontiert. So kennt Österreich ein Aufenthaltsrecht für ZeugInnen, und die Niederlande kennen eine Bedenkfrist von drei Monaten beim leisesten Verdacht auf Frauenhandel.

Die Aufmerksamkeit gegenüber Betroffenen von häuslicher Gewalt und bei Gewalt und Prostitution ruft nach einer umfassenden Regelung bei gewaltbetroffenen Frauen überhaupt. Speziell bei Ehefrauen ist zu gewährleisten, dass sie vor dem Verharren in einer Ehe mit einem gewalttätigen Mann geschützt werden; und bei von Frauenhandel Betroffenen, dass ihre Zeuginnen-Qualität unter Berücksichtigung des delikaten Milieus gesichert und sie selbst hinreichend geschützt werden. Für Gewaltbetroffene gilt aber Vieles ganz generell. So sind ihre Aussagen in einem Strafprozess immer wichtig, d.h. ihr Aufenthalt muss im Hinblick auf ihre Aussage gesichert sein. Sie müssen ihre Forderungen auf Schadenersatz, Genugtuung, Unterhalt etc. durchsetzen können, was ihre Anwesenheit erfordern kann. Gewaltbetroffene müssen bei Schwierigkeiten im Heimatland geschützt werden, insbesondere wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge der Traumatisierung eingeschränkt ist, sie den Tätern dort stärker ausgesetzt sind und allgemein, wenn die Chancen für den persönlichen Wiederaufbau in der Schweiz besser sind.

Aus all dem ist zu schliessen, dass eine Gesetzesrevision im Migrationsrecht auch die Chance darstellt, gewisse anstehende Problematiken wie Gewalt und Aufenthaltsrecht einer Lösung zuzuführen.

Erstveröffenlichgung in der A-Post 2/2000

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