Bereits vor der Gründung unserer ersten Zivilisation, begann das menschliche Wesen bewusst über die Angst zu reflektieren. Daraus bildete sich in unseren Köpfen ein komplexes Wertsystem. Das heisst, wir verbanden diesen Gefühlszustand mit ganz bestimmten Eigenschaften, die uns zu Objekten reduzierten. Als Objekte folgten wir ganz bestimmten Mustern, die unsere Richtung vorgaben. Wir hatten fast keine Möglichkeiten uns dieser Selektionsmaschinerie zu entreissen. Heute stellen wir fest, dass sich unser Denken in den vergangenen hunderttausenden von Jahren nicht mehr stark geändert hat. Jedenfalls hatten wir schon vor unserer Geschichtsschreibung ein geistiges Niveau erreicht, das sich mit dem des unsrigen in heutiger Zeit vergleichen lässt. Zu dem Gefühlszustand von Angst gesellen sich noch viele andere Begriffe, um unsere innere Stimmung zu definieren, wie der Zorn, der Frust, die Aversion, etc. Auch sie werden in unserem Sprachvokabularium dazu missbraucht, uns zu kategorisieren.
Jedem, der diese Zeilen liest, drängt sich jedoch unweigerlich die Frage auf, was sich geändert hat. Ein flüchtiger Blick auf den Titel genügt, um zu ahnen, dass eine grosse Umwälzung in unserer Zeitgeschichte stattgefunden haben musste. Mit den beiden Begriffen «prähistorisch» und «Aspie» will ich nicht nur die Leserschaft auf diesen Titel aufmerksam machen, sondern sie auf ein tief greifendes Problem sensibilisieren. Es handelt sich darum, dass schon seit Urgedenken Individuen, die sich in ihrem Verhalten, Fühlen und Denken von der Gesellschaft abheben, der Ausgrenzung und Verdammung zum Opfer fallen. Allein die Verknüpfung von «prähistorisch» und «Aspie» verdeutlicht, dass die Popularität kein Merkmal unserer heutigen Zeit darstellt, sondern seit dem Zeitpunkt existierte, als der Mensch über seinen Horizont hinaus reflektierte. Denn Popularität, setzt voraus, dass jedes Individuum einer geschlossenen Gemeinschaft einen Aspekt zu verherrlichen weiss, der über seine natürlichen Grenzen hinausgeht, ohne dabei seine eigene Identität zu verlieren.
Was hat populär mit dem Begriff «Ausgrenzung» zu tun? Sehr viel! Wenn ein Mensch verherrlicht wird, unterscheidet er sich von den restlichen Menschen einer Gemeinschaft. Streng genommen grenzt er sich dadurch aus. Er erfährt mehr Zuwendung von seinen Mitmenschen und gleichzeitig fühlt er sich dazu aufgefordert, immer mehr zu leisten. Er erlebt sich selbst als ein vom restlichen System Abgeschnittener, weil ihm die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, daran hindert, in die Anonymität zu flüchten. Ihm fehlt der natürliche Ausgleich im Leben. Jeder Mensch wünscht sich, von der Welt wahrgenommen zu werden. Aber ebenso wichtig ist es für ihn, dass er sich vor der Öffentlichkeit zurückziehen kann.
«Aspie» stellt in der Umgangssprache die Bezeichnung für eine Volksgruppe dar, die sich von der Gesellschaft ebenfalls ausgegrenzt fühlt. Die Popularität dieses Begriffes erkennt man in der Verniedlichungsform, die die Abkürzung des Wortes «Aspergersyndrom» darstellt. Auch «Autistan» steht für das Bedürfnis vieler Autisten, anerkannt zu werden. Es handelt sich dabei um eine Botschaft, deren Popularität nicht zu unterschätzen ist.
Es ist kein Zufall, dass ich das Thema Autismus aufgegriffen habe. Es sorgt weltweit für Kontroversen. Die Meinungen weisen kein einheitliches Bild dar. Die einen sind davon überzeugt, dass die Autisten einen neuen Evolutionssprung in der Menschheitsgeschichte darstellen. Andere wiederum betrachten Menschen mit einer nicht neurotypischen Denkweise als psychisch gestört. Obwohl ich mich bewusst von diesen beiden Denkrichtungen distanziere, schliesse ich keineswegs aus, dass sich Evolution auf diese Art bemerkbar machen kann. Ebenso vermag ich nicht zu ignorieren, dass man mit einer einzigartigen Verhaltens-, Gefühls - und Denkart auf mehr Hindernisse stösst wie die meisten seiner Mitmenschen. Als Aussenseiter kommt man nicht umhin, sich als abnormales Objekt zu erleben.
Empirische Daten können die Spaltung innerhalb der Gesellschaft nur noch verstärken, indem sie von der Bevölkerung unverarbeitet als unumstössliche Tatsache aufgenommen werden. Dazu dient ein interessantes Beispiel, wie der wissenschaftliche Nachweis eines erhöhten Zusammenhanges zwischen dem Aspergersyndrom und der erhöhten Durchblutung des linken Frontallappens. Ich gedenke keineswegs den statistischen Zusammenhang dieser beiden Variablen, «Aspergersyndrom» «Durchblutung des linken Frontallappens» anzuzweifeln. Ich fühle mich jedoch dazu aufgefordert die tiefere Bedeutung, welche sich hinter solchen Zusammenhängen verbergen, gedanklich zu erörtern. Ich erhebe deswegen keinen Anspruch darauf, dass man meine Schlussfolgerungen wissenschaftlich anerkennt. Ich vertrete bloss eine Meinung, welche ich durch logische Überlegungen zu erklären versuche, was mich nicht daran hindert, von der Welt gehört zu werden. Wenn mir das gelingt, käme ich unweigerlich in den Genuss einer erhöhten Aufmerksamkeit. Ich will das nicht bewerten, schön reden oder kritisieren. Es gehört einfach dazu.